Das Sehen von Kindern und Jugendlichen
Jedes zehnte Kind in Deutschland sieht nicht richtig. Fast zwei Drittel der Sehschwächen bei Kindern bleiben zu lange unentdeckt.
Was Augenärzte hierzulande in nüchternen Zahlen benennen, kann lebenslang Seheinbußen bedeuten. Sehstörungen wirken sich nachhaltig auf die gesamte Entwicklung des Kindes aus – auf sein Leistungsvermögen, seine Motivation, seine Lebensqualität und sein Selbstbewusstsein.
Kinder, die schlecht sehen, müssen sich mehr anstrengen, haben Konzentrationsprobleme, ermüden schneller. Sehprobleme fallen oft erst in der Schule auf. Kinder nehmen Buchstaben und Zahlen nicht richtig wahr, machen Fehler beim Schreiben, Lesen, Rechnen – und kassieren schlechte Schulnoten. Damit schwinden Motivation und Selbstbewusstsein des Kindes. Eltern sollten stets die Sehkraft ihres Kindes und die Anzeichen für Sehprobleme im Blick haben. Intensive Nutzung von Computern und Smartphones sowie wenig Bewegung an frischer Luft führen vor allem zu vermehrter Kurzsichtigkeit (Myopie) bei Kindern.
Sehvermögen und Sehfehler bei Kindern
Sehen ist wie Laufen und Sprechen eine im Menschen angelegte Fähigkeit, die sich über Jahre ausprägt. Scharfes und räumliches Sehen ist ein Lernprozess. Babys können schon kurz nach der Geburt sehen – unscharf in Hell-Dunkel-Abstufungen. Bis Sehfähigkeit und Gesichtsfeld ihre volle Leistung erreichen, ist das Kind im Schulalter.
Häufige Sehfehler bei Kindern sind zum Beispiel Schielen, Kurzsichtigkeit oder Weitsichtigkeit. Kurzsichtigkeit bei Kindern ist in den ersten Lebensjahren selten, nimmt jedoch im Schulalter zu.
Weitsichtigkeit bei Kindern
Bei kleineren Kindern ist Weitsichtigkeit nicht ungewöhnlich. Sie muss nicht behandelt werden, da die Elastizität der Augenlinse im Kindesalter diese Weitsichtigkeit ausgleicht.
Zeigen Schulkinder Schwächen beim Lesen, Schreiben und Rechnen, sollten neben der Diagnostik von Legasthenie und Dyskalkulie auch augenärztlich-orthoptische Untersuchungen erfolgen, rät der Berufsverband der Orthoptistinnen Deutschlands.
Myopisierung von Kindern und Jugendlichen
Weltweit schreitet die Myopisierung von Kindern und Jugendlichen voran. In Deutschland sind laut Bundesverband der Augenärzte (BVA) inzwischen etwa 25 Prozent der Menschen kurzsichtig.Mehr als die Hälfte der Hochschulabsolventen und gut ein Drittel der Abiturienten oder Personen mit Berufsabschluss sehen nur Nahes scharf. Bei den übrigen ist nur etwa ein Viertel kurzsichtig. Höhere Bildung führt also zu mehr Kurzsichtigkeit, lautet das Fazit zahlreicher Studien.
Wissenschaftler fanden zudem heraus, dass täglich zwei Stunden Aufenthalt im Freien bei Tageslicht das Risiko für Kurzsichtigkeit bei Kindern halbieren. Die sogenannte Schulkurzsichtigkeit (Schulmyopie) entwickelt sich ab einem Alter von sechs Jahren.
Brille bei Kurzsichtigkeit und anderen Sehschwächen
Kurzsichtigkeit und andere Sehschwächen lassen sich problemlos mit Brille oder Kontaktlinsen korrigieren. Wichtig ist, Sehstörungen und verminderte Sehleistung frühzeitig zu erkennen. Etwa jedem fünften Kind in Deutschland wird eine Brille verordnet, stellen Augenärzte fest. Und Krankenkassen-Zahlen belegen: Einer von zehn Grundschülern trägt eine Brille.
Die Sehhilfe gleicht die Sehschwäche dieser Kinder aus. Sie gewinnen auf diese Weise nicht nur besseres Sehen, sondern auch Lebensqualität, Motivation, Anerkennung und Sicherheit bei ihren Aktivitäten. Trotzdem können einige Kinder und Jugendliche aufgrund von Sehdefiziten noch nicht so gut mitmachen und mithalten. Ein Beispiel: Ein Viertel der Schülerinnen und Schüler treiben fehlsichtig in der Schule Sport, ohne eine Brille oder Kontaktlinsen zu tragen. Das ergab die RUB-Schulsportstudie 2020.
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Kurzsichtigkeit bei Kindern heilbar?
Sehschwächen wie die besonders bei Kindern verbreitete Kurzsichtigkeit können korrigiert werden. Aber ist auch eine Heilung möglich? Fragen, die sich viele Eltern immer wieder stellen. Grundsätzlich gilt: Werden Sehfehler nicht in früher Kindheit erkannt und korrigiert, ist man auch im Erwachsenenalter fehlsichtig. Schlimmer noch: Das Risiko für schwere Folgeerkrankungen im Alter wie Grauer Star oder Netzhautablösung steigt.
Die gute Nachricht: Spezielle Brillengläser, Kontaktlinsen, Augentropfen, aber auch Verhaltensweisen können die Myopie nicht nur korrigieren, sondern auch stoppen und verlangsamen. Ganz beseitigen lässt sie sich jedoch nicht. Sechs Wege, die Kurzsichtigkeit auszubremsen:
Brillen zur Myopiekontrolle
Die neuartigen Gläser zur Myopiekontrolle verhindern das Längenwachstum des kindlichen Augapfels – verantwortlich für die Myopie – wesentlich. Eine Vergleichsstudie mit 160 Schulkindern in China weist eine um rund 60 Prozent weniger stark angestiegene Kurzsichtigkeit nach. Dabei wird das Auge ausgetrickst: Zusätzlich zum Einstärkenglas, das ein scharfes Bild auf der Netzhaut der Kinder erzeugt, sorgen viele kleine, kreisförmige Linsen auf dem Glas für ein zweites scharfes Bild im Augeninneren. Das signalisiert einen zu langen Augapfel. Ergo verlangsamt sich das Wachstum des Auges und damit die Kurzsichtigkeit.
Ortho-K-Linsen
Eine weitere Möglichkeit Kurzsichtigkeit zu verzögern, bieten Orthokeratologie-Linsen – kurz Ortho-K-Linsen. Das Prinzip: Die formstabilen, hochsauerstoffdurchlässigen Kontaktlinsen flachen die Hornhaut über Nacht um einige hundertstel Millimeter sanft ab, korrigieren so die Sehschwäche und verzögern gleichzeitig das Längenwachstum des Augapfels. Am Tag sehen die Kids dann ohne Brille und Ortho-K-Linsen gestochen scharf.
Multifokale Kontaktlinsen
Sie ermöglichen scharfes Sehen in der Nähe und in der Ferne – bisher ein typischer Fall für Alterssichtige. Jetzt können auch Kinder von den Linsen profitieren. Studien belegen, dass weiche multifokale Kontaktlinsen mit einem speziellen optischen Design und auf Kinderaugen optimiert die Kurzsichtigkeit korrigieren. Zugleich drosseln sie das axiale Längenwachstum des Auges und somit das Fortschreiten der Myopie. Dass die Kids mit Kontaktlinsen sicherer bei Sport und Spiel unterwegs sind als mit Brille, ist ein weiterer positiver Effekt.
Atropin-Tropfen
Die Gabe von niedrig dosierten Atropin-Augentropfen mindert die Myopie um 50 Prozent und kommt für Kinder infrage, deren Kurzsichtigkeit jährlich um mindestens eine halbe Dioptrie steigt.1 Die Tropfen werden im Alter von 6 bis 14 Jahren am Abend verabreicht. Leichte Nebenwirkungen wie Blendempfindlichkeit oder Nahsichtstörung verschwinden nach Absetzen der Tropfen vollständig.
Sehtests
Obligatorische Untersuchungen beim Augenarzt sind in Deutschland nicht vorgeschrieben. Umso wichtiger ist es, die Augen der Kinder spätestens bis zum 3. Lebensjahr und danach regelmäßig von einem Augenarzt untersuchen und testen zu lassen. Nur so kommt man Sehdefiziten und Augenkrankheiten schnell auf die Spur. Eltern sind hier in einer besonderen Verantwortung.
Aufenthalt im Freien
Die gesündeste Therapie lautet: raus ins Freie! Kinder und Jugendliche, die sich täglich mindestens zwei Stunden an der frischen Luft bewegen, halbieren nach Ansicht von Wissenschaftlern das Risiko für Kurzsichtigkeit. Besser und einfacher geht’s nicht.
Welche Möglichkeiten es gibt, andere Sehschwächen, aber auch Sehfehler bei Kindern zu therapieren, lesen Sie hier.
Regelmäßige Sehtests bei Kindern
Dass ein Kind schlecht sieht, merkt es selbst nicht. Ihm fehlt der Vergleich. Unerkannte und unkorrigierte Sehfehler wie Kurzsichtigkeit bei Kindern oder Weitsichtigkeit bei Kindern stören die Entwicklung des Sehens und die gesamte Entwicklung. Deshalb: Bereits mit Kleinkindern die Vorsorgeuntersuchungen und regelmäßige Sehtests nutzen!
Eltern können schon die Augen des Babys beim Spielen testen: Folgt es dem Licht der Taschenlampe oder einem bunten Gegenstand? Greift es richtig nach dem Spielzeug? Um einer lebenslangen Sehschwäche vorzubeugen, sollten Kinder spätestens mit dreieinhalb Jahren von einem Augenarzt untersucht werden, bei Augenerkrankungen in der Familie bereits zwischen sechstem und neuntem Lebensmonat. Vor der Einschulung gehören Kinderaugen erneut auf den Prüfstand.
Der Kinderarzt kontrolliert bei den empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen den Sehsinn, doch zusätzlich ist die Konsultation eines Augenarztes oder eines auf Kinderuntersuchungen spezialisierten Augenoptikers beziehungsweise Optometristen angeraten.
Wann genau welche Sehprobleme auftreten können, wie oft Kinder zum Seh-Check beim Augenarzt vorgestellt werden sollten, und welche Sehtests es für die Kleinen überhaupt gibt – die Details.
Online-Sehtest für Kinder
Bequem und kostenlos sind unsere Online-Sehtests für Kinder. Mit ihrer Hilfe können Anzeichen für Sehprobleme herausgefunden werden. Der Tafel-Seh-Check testet das Sehvermögen für die Ferne, mit dem Landoltring-Test kann fehlende Sehschärfe entdeckt werden.
Hinweise auf Kurzsichtigkeit oder Rot-Grün-Sehschwäche gibt der Kinder-Seh-Check mit den Tieren von Neu-Seh-Land: Affe Jim Pannse, Schnecke Peter und Pinguin Tux fordern den scharfen Kinder-Blick; Spinne Agathe prüft sogar die Augen der Eltern auf eine Makula-Störung.
Wichtiger Hinweis: Diese Sehtests können erste Hinweise auf Sehschwächen Ihres Kindes geben, ersetzen aber nicht die Kontrolle beim Augenarzt.
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